Katalytische Reaktoren in der Chemischen und Petrochemischen Industrie

Katalytische Reaktoren in der Chemischen und Petrochemischen Industrie

Dr. Patrick Bangert
algorithmica technologies GmbH

Hintergrund

In einem katalytischen Reaktor werden mindestens zwei Stoffe miteinander in Verbindung gebracht. Der erste Stoff ist der, den wir auf chemischem Wege umzuwandeln versuchen; und der zweite Stoffe ist der Katalysator, der diese Umwandlung zuwege bringen soll. Die beiden Stoffe werden gemischt und erhitzt, um die Energie zu generieren, die für die Umwandlung nötig ist. Es ist auch erforderlich, Rohrleitungen zu legen, damit die Stoffe in den Reaktor hineingeleitet werden können und das Endprodukt dann den Reaktor verlassen kann. Einige Substanzteile, die nicht umgewandelt wurden, müssen wieder in den Kreislauf des Reaktors zurückgeführt werden – für eine zweite, dritte Runde oder noch mehr Zyklen, bis der erste Stoff vollständig umgewandelt ist. Ein Beispiel für einen solchen Prozess ist das Aufbrechen der langen Molekülketten eines Rohöls, um daraus Benzin zu gewinnen.

Wie bereits angedeutet, wirkt der Katalysator auf den ersten Stoff ein, um die Umwandlung zu veranlassen. Indem er dies tut, altert er aber mit der Zeit und verliert seine Fähigkeit, die Umwandlung herbeizuführen. Diese Deaktivierung des Katalysators ist das Hauptproblem, mit dem sich der Betreiber des Reaktors langfristig konfrontiert sieht. Der Katalysator muss deshalb von Zeit zu Zeit irgendwie reaktiviert werden.

Zwei Arten von Reaktor

Wir werden hier die zwei wichtigsten Arten von katalytischen Reaktoren untersuchen: den flüßigen Katalysator (FCC - Fluid Catalytic Converter) und den Granulatkatalysator (GCR - Granular Catalytic Reactor). Beide Arten von Reaktor erfordern eine Vorhersage über den zu erwartenden Alterungsprozess des Katalysators. Wir müssen schon Wochen vorher wissen, ob und wann eine kritische Verschlechterung des Katalysators eintritt.

In dem FCC ist der Katalysator flüssig und kann deshalb leicht in den Reaktor hinein- und wieder herausgepumpt werden. Gewöhnlich besteht eine Art Kreislauf, damit der Katalysator in den Reaktor einfließt, wo er seine Funktion erfüllen kann, und wieder herausfließt, um eine Reaktivierungsphase zu durchlaufen, bevor er dann erneut in den Reaktor zurückgeleitet wird. Dieser Zyklus ist eine permanente Einrichtung des Reaktors, sodass der Katalysator seine Funktion praktisch ununterbrochen ausüben kann. Allerdings muss die Geschwindigkeit des Kreislaufs sorgfältig mit dem Alterungsprozess des Katalysators abgestimmt werden, damit nicht zu viel Arbeit in die Reaktivierung (eines noch guten Katalysators) investiert wird oder zu wenig Arbeit geleistet wird (wenn nicht genug des gealterten Katalysators in die Reaktivierungsphase geleitet wird, sodass wir am Ende zu wenig brauchbaren Katalysator im Reaktor zur Verfügung haben).

Im GCR haben wir den Katalysator in Form eines Granulats, das ebenfalls in den Reaktor eingefüllt wird. Dieses Granulat bleibt so lange im Reaktor, bis es so deaktiviert ist, dass der Umwandlungsprozess nicht mehr wirtschaftlich ist. Dann muss der Reaktor geöffnet, der Katalysator entfernt und neues Granulat eingespeist werden. Das alte Granulat kann man dann zur Reaktivierung weiterleiten. Ein solcher Austausch kann ungefähr vier Wochen Ausfallzeit bedeuten, was die Kosten für diese Anlage erheblich verteuert. Auch muss der neue Katalysator rechtzeitig bestellt werden, weshalb das Austauschdatum im Voraus angesetzt werden muss.

Die Deaktivierung eines GCR vorhersagen

Um eine solche Vorhersage zu machen, stehen uns eine Reihe von Parametern zur Verfügung, die wir messen können: Es gibt um den und im Reaktor mehrere Temperaturen, da ist ferner ein Zulauf und ein Abfluss, es gibt eine chromatographische Gasbestimmung dessen, was konkret herausfließt, und schließlich gibt es noch Druckmessungen diverser Prozesse. Es zeigt sich, dass das Alter des Katalysators durch das Messen der Druckunterschiede im Reaktor bestimmt werden kann. Je größer die Druckunterschiede, umso älter ist der Katalysator.

Unter Anwendung der Methode des Recurrent Neural Networks generierten wir ein Modell des GCR, indem wir uns eine Datensammlung aus vier Jahren Laufzeit zunutze machten. Innerhalb dieser vier Jahre war der Katalysator zweimal ausgetauscht worden (siehe Schaubild 1 bis zur grünen senkrechten Linie). Die gezackte Kurve stellt den tatsächlich gemessenen Druckunterschied im Reaktor dar. Die scharfen Abfälle, von wo die Kurve jeweils wieder steigt, zeigen den Austausch des Katalysators; dies passierte insgesamt dreimal, wie uns das Schaubild verdeutlicht. Nach dem zweiten Austausch des Katalysators bei etwa 30.000 Stunden machten wir eine Vorhersage dergestalt, dass der Katalysator nach 416 ± 25 Tagen ausgetauscht werden müsse. Dies erwies sich als richtig, wie die tatsächlichen Messwerte hinterher ergaben.

Reactor deactivation

Schaubild 1: Die Druckunterschiede (gleichbedeutend mit dem Alter des Katalysators) über einen Zeitraum von mehreren Jahren gemessen. Die blaue (gezackte) Kurve stellt die tatsächlich gemessenen Werte dar; die mittlere (leicht grüne) der geschmeidigeren Kurve zeigt die Vorhersage .an. Die grüne senkrechte Linie zeigt den gegenwärtigen Zeitpunkt an, ab dem die Vorhersage begann. Die rote senkrechte Linie stellt den Zeitpunkt dar, für den wir den notwendigen Austausch des Katalysators angesetzt (vorausgesagt) hatten. Anhand der später tatsächlich gemessenen Werte zeigte sich, dass sich diese Vorhersage mehr als ein Jahr im Voraus als richtig erwies.

Bei den drei Fällen, in denen der Katalysator nach Schaubild 1 ausgetauscht wurde, passierte dies bei jeweils verschiedenen Druckunterschieden. Wäre es nicht gut, einen einzigen Grenzwert zu spezifizieren, um so zu definieren, was in Bezug auf den Katalysator „zu alt“ heißt? In unserem Fall war das entscheidende Kriterium aber nicht ein bestimmtes Alter des Katalysators, sondern vielmehr der Punkt, an dem der Prozess unwirtschaftlich wurde. Weil dieses Kriterium von verschiedenen wissenschaftlichen, aber auch von unterschiedlichen wirtschaftlichen Einflüssen abhängt, verändert sich das „Alter“, bei dem der Katalysator unwirtschaftlich arbeitet, mit den sich verändernden Marktpreisen. Diese Marktpreise (und deren Unsicherheiten) müssen also ebenfalls in Rechnung gestellt werden.

Die Deaktivierung bei einem FCC

Wir wechseln nun zu einem FCC, also zu einer chemischem Anlage, in der der Katalysator flüssig ist. Der FCC ist ein komplexes Gebilde mit vielen Sollwerten, die von dem Aufsichtspersonal je nach Bedarf angepasst werden. Beispielsweise kann die Rate bzw. die Art und Weise, wie der flüssige Katalysator recycled wird, gesteuert werden. Unter Sollwerten (engl. set-points) verstehen wir bevorzugte Messwerte des betrieblichen Ablaufs. So kann der Anlagenbetreuer spezifizieren, dass eine bestimmte Temperatur 300°C betragen soll (= Sollwert), obwohl die tatsächliche Temperatur sich leicht unterhalb oder oberhalb dieses Wertes befindet, je nach Effizienz des Reglers. Weil die Anlagenbetreuer die Sollwerte je nach Marktlage verändern, stehen uns vorab einige Informationen zur Verfügung. Wir können deshalb fragen, inwieweit eine Vorab-Kenntnis der Sollwerte dem Modell helfen kann, bestimmte zukünftige Zustände vorherzusagen.

Wir schauen uns (in Schaubild 2) ein einfaches „Neural Network“-Modell an, in dem die Druckunterschiede (Messwerte der gepunkteten Linie) abhängig sind von anderen Variablen des FCC, von denen es mehrere Dutzend gibt – zusätzlich zu einigen Sollwerten. Wenn wir dem Modell nur historische Informationen (Messwerte) bereitstellen – ohne die Sollwerte in Betracht zu ziehen – erhalten wir die durchgezogene Kurve als Vorhersage. Im Vergleich zu der (tatsächlich gemessenen) gepunkteten Kurve ist die Modell-Vorhersage nicht sehr aussagekräftig, um die Realität präzise abzubilden. Speisen wir in das Modell jedoch noch die für die Zukunft gewünschten Sollwerte (des Produktionsplans) ein, erhalten wir die gestrichelte Kurve. Diese gestrichelte Kurve ist präzise und erfüllt damit unser Ziel, den korrekten Zeitpunkt der Reaktivierungsphase (Abfall der Kurve nach etwas mehr als 400 Stunden) vorherzusagen.

Reactor set points

Schaubild 2: Der über einen längeren Zeitraum (in Stunden) gemessene Druckunterschied eines flüssigen Katalysators wird hier nach zwei unterschiedlichen Modellen vorhergesagt. Die gepunktete Linie repräsentiert die tatsächlich gemessenen Daten. Ein deutlicher Anstieg des Druckunterschieds zeigt sich bei dem Ausschlag nach oben auf der linken Seite der Grafik. Eine Prognose, die auf den historischen Daten basiert, aber keine erwünschten Sollwerte berücksichtigt, zeigt (durchgezogene Linie), dass zwar der Anstieg links korrekt vorhergesagt werden konnte, nicht jedoch, wann der Katalysator ausgetauscht werden muss. Eine Prognose, die zukünftige Sollwerte berücksichtigt, wird von der gestrichelten Linie dargestellt. Diese Prognose kann vorhersagen, wann der Katalysator ausgetauscht werden muss (starker Abfall rechts). Es zeigt sich, dass eine Kenntnis zukünftiger Handlungen sich positiv auswirkt.

Wir können also feststellen, das die Bereitstellung einiger weniger Informationen über die Zukunft (insbesondere Sollwerte) wesentlich dazu beitragen kann, Vorhersagen zu machen, die wir andernfalls nicht im Vorhinein wissen würden.

Zusammenfassend sei gesagt, dass beide Arten von Reaktor im Modell gut abgebildet werden können. Wir können den Druckunterschied beider Reaktoren für die Zukunft vorhersagen und damit Informationen über wichtige zukünftige Ereignisse bereitstellen–wie die Deaktivierung eines Katalysators bzw. wann (beim GCR) und wie (beim FCC) diese Deaktivierung eintritt. Aufgrund beider Vorhersagen ist es möglich, Handlungen im Voraus zu planen, um das Problem (eines veralteten Katalysators) zu lösen.

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