Warum wir? Und warum jetzt? Faktoren, die zum Aufstieg von Industrie 4.0 beitrugen

Warum wir? Und warum jetzt? Faktoren, die zum Aufstieg von Industrie 4.0 beitrugen
20. Jun. 2016 | von V. Georgieva

Heute setzen wir unsere Serie von Blogbeiträgen zum Thema Industrie 4.0 fort. Sollten Sie unseren ersten Eintrag noch nicht gelesen haben, können Sie das hier nachholen.

Sie haben vermutlich alle schon von Industrie 4.0 gehört. Es ist die industrielle Revolution, die derzeit über die industrielle Fabrikation hinwegfegt. Aber warum passiert sie gerade jetzt? Welches sind die Faktoren, die diesen neuen Umbruch der industriellen Herstellung so unausweichlich macht? Und warum sollten wir diese Transformation begrüßen?

Die knappe Antwort lautet, dass diese Transformation der Produktion durch den rasanten Fortschritt in der Computer-Technologie möglich wurde. Genauer: es war eine Kombination von großen Datenmengen, schnellerer Datenbearbeitung und besserer Analysemethoden.

  1. Größere Datenmengen: Der Begriff Big Data hat in den vergangenen Jahren geradezu ein Eigenleben entwickelt. Wenn wir an Google und Facebook denken, an maßgeschneiderte Werbung und NSA-Bespitzelung, so sind wir allesamt hypersensitiv in dem Sinne geworden, dass immer mehr Bereiche unseres Lebens digitalisiert und für Analysen verfügbar gemacht werden. Dies gilt aber nicht nur für Privatpersonen, sondern besonders auch für die moderne Fabrikation. Big Data ist eine Realität, nicht zuletzt in Gestalt von Hunderten von Sensoren, die mehrfach pro Sekunde Informationen versenden. Doch weniger als 1% dieser Informationen wird tatsächlich sinnvoll verwendet. Wir haben diese Datenmengen zwar, und sie stehen uns allesamt vorübergehend zur Verfügung. Doch gibt es einen Stolperstein, der – nach unserer Erfahrung – nicht etwa im Mangel an Daten zu suchen; sondern in der unzureichenden Fähigkeit, diese Daten schnell zu verarbeiten, um durch moderne Analyse-Methoden nützliche und handlungsrelevante Erkenntnisse aus ihnen zu gewinnen. Ohne diese verarbeitenden Analysen verkommt Big Data zu einem Friedhof nutzloser Bits.
  2. Schnellere Verarbeitung: Es ist eine verbreitete (und zutreffende) Redewendung, dass die Mondlandung mit weniger Rechnerleistung auskam als wir heute in einer durchschnittlichen modernen Digitaluhr finden. Seit den 60-er Jahren hat sich die Rechnerleistung enorm erweitert, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die wir dem Mooreschen Gesetz umschrieben haben, wonach sich die Zahl der Transistoren in einem integrierten Schaltkreis alle zwei Jahre verdoppelt. Und seit nunmehr über 50 Jahren hat sich dieses Gesetz beinahe ebenso zuverlässig erwiesen wie das Gravitationsgesetz (in jüngster Zeit allerdings nicht mehr, was ein Thema für einen zukünftigen Blog-Eintrag sein könnte). Die Auswirkungen sind enorm und weitreichend, angefangen von der Tatsache, dass jeder von uns heute einen leistungsstarken Computer in der Jacken- oder Hosentasche trägt, bis hin zu der Erkenntnis, dass – zusätzlich zur Verfügbarkeit von Big Data – wir nunmehr die Möglichkeiten haben, etwas Sinnvolles mit den großen Datenmengen anfangen zu können. Wir haben heute nicht nur die Kapazitäten, enorme Datenmengen abzuspeichern, sondern auch die Rechenleistung, solche Daten sinnvoll für uns arbeiten zu lassen. Um riesige Datenmengen moderner Industrieanlagen zu analysieren und – mehr noch – dies in Echtzeit zu tun, sind riesige Rechnerleistungen nötig. Noch vor 10 Jahren, als wir mit unseren Analysen anfingen, stießen wir immer wieder an die Grenze der uns verfügbaren Computer-Server. Heute haben wir sogar in serienmäßig hergestellten Computern 32 mal so viel Rechnerleistung als noch vor einem Jahrzehnt. Darum sind wir in der Lage, mit Live-Daten hochmoderne mathematische Berechnungen in Echtzeit anzustellen und daraus sofortige Erkenntnisse zu gewinnen, auf die wir prompt reagieren können – und das alles mit einer Hardware, die wir im Online-Einzelhandel bestellen können.
  3. Hochmoderne Analysemethoden: Weil wir nunmehr die ausreichenden „Pferdestärken“ besitzen, um wirklich hochmoderne Analysen durchführen zu können, ist es heute möglich, enorme Verbesserungen bei der Produktion zu erzielen. Ausreichende Daten sind allerdings eine notwendige Voraussetzung, um ins Industrie 4.0–Zeitalter einzutreten. Zwar sind die Daten selten (bzw. nie) wirklich perfekt (etwa weil es nicht überall Sensoren gibt, wo wir sie eigentlich benötigen würden), und überdies sind die Daten unübersichtlich und kompliziert, um Sinn daraus zu machen – weshalb es guter, intelligenter Analysemethoden bedarf. Eine gute Lösung kann turmhohe Datenmengen durchforsten und daraus die für uns relevanten Variablen herausdestillieren; sie kann Daten nutzen, um (mittels eines simulierten oder „weichen“ Sensors) noch fehlende Werte zu berechnen; sie vermag Ausreißer und externe Faktoren herauszufiltern und aus der Unübersichtlichkeit der Daten ein sinnvolles Ganzes zu schaffen. Sie kann Fragen beantworten und Verbesserungsvorschläge machen, die keinem menschlichen Beobachter in den Sinn kämen. Und deshalb ist es heute möglich, mit Hilfe der von vernetzten Sensoren produzierten Daten und der zu ihrer Verarbeitung verfügbaren Rechnerleistungen das „Internet of Things“ (IoT) Wirklichkeit werden zu lassen und so die Industrie nachhaltig zu verändern.

Was könnten diese hochmodernen Anwendungen des „Internet of Things“ (IoT) für die Unternehmenswelt sein? Es gibt viele: Vernetzungskontrolle, Überwachung der Fertigungsmaschinen, Anlagenverwaltung, Situationsanalyse, Kontrolle des Fertigungsprozesses usw. Das derzeit erkennbare Potenzial dieses neuen industriellen Zeitalters kratzt vielleicht nur an der Oberfläche dessen, was in Zukunft tatsächlich möglich sein wird; aber schon jetzt entfaltet dieses Potenzial seine enormen Kräfte. Es reicht von automatisierter Prozesskontrolle, wodurch die Herstellung optimiert und die Anlagensicherheit und Anlagenzuverlässigkeit verbessert wird, bis hin zu voraussagender Analytik und zu statistischen Analysen, die Betriebsausfälle reduzieren und intelligente, vorausplanende Wartungsarbeiten ermöglichen. Realisierbar geworden sind auch Prozess-Optimierungen in Echtzeit, wodurch sich Chancen bieten, bisher nicht mögliche Steigerungen der Effizienz und damit verbundene monetäre Vorteile zu erreichen – und zwar ohne nennenswerten zusätzlichen finanziellen Aufwand.

Im nächsten Blog-Eintrag werden wir besprechen, welche Lösungen zukünftige Industriekunden von ihren Anbietern im Zeitalter von Industrie 4.0 erwarten können. Wir werden uns auch mit gegenwärtigen und zukünftigen Störungen des Herstellungsparadigmas beschäftigen sowie mit einigen Herausforderungen, vor denen Industrie 4.0 steht.

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